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Das Attentat . . .

Das Attentat auf das Pferd des Brasilianers Joao Candia Bertoza

epd / Kirche und Rundfunk  v.  3. 11. 71

“Vor Gericht wird ein politisches Attentat verhandelt. Angeklagt ist der 29jährige Helmut Andreas Rentorf, der seinen ursprünglichen Beruf eines Buchhändlers mit dem eines Arbeiters getauscht hat. Ort der Tat und der Gerichtsverhandlung ist Münster.  Dort hat Rentorf während eines Reitturniers auf das Pferd des Brasilianers Joao Candida Bertoza geschossen.  Mit dieser Anklage steht er jetzt vor Gericht.

Renke Korn hat bewußt die Aktion seines Hörspiels auf den Ablauf der Verhandlung im Gerichtssaal beschränkt.  Während der Vernehmung von Angeklagtem und Zeugen erfährt der Zuhörer die Einzelheiten des Vorgangs der Tat und mögliche damit verbundene Motive.  Auffällig ist von Anfang an, daß Gericht und Angeklagter, beziehungsweise Anklage und Verteidigung, in einem völlig verschiedenen Verhältnis zu der begangenen Tat stehen. Für das Gericht ist allein die Tatsache des mit einer illegal besessenen Waffe getöteten Pferdes von Bedeutung, nach dem Warum eines politischen Motivs will es nicht fragen. So erschöpft sich das Interesse an dieser Tat letztlich in einer pedantischen Bestandsaufnahme des Hergangs und dem Versuch, dem Angeklagten vielleicht weitere Illegalitäten nachweisen zu können.  Die Begründung der Tat als politische Aktion, um auf das Ausbeutertum der feudalen Großgrundbesitzerklasse Brasiliens, die Bertoza in deutlicher Weise repräsentiert, hinzuweisen, wird nicht akzeptiert.

Aufbau und Argumentation des Hörspiels zeigen, daß es Renke Korn vornehmlich um die Demonstration gesellschaftspolitischer Vorgänge ging. Nicht nur Brasilien als Hochburg feudalistischen Ausbeutertums soll angegriffen werden, sondern exemplarisch alle gleichgearteten Gesellschaftssysteme. Auf die Symptome kapitalistischer Infektion sollte hingewiesen werden, doppelt, durch das Attentat selbst, durch die Gerichtsführung, und letztlich wohl auch durch den Ort der Handlung Deutschland (wo zum Beispiel die Ermordung eines Pferdes mehr Aufsehen erregen kann als die eines Menschen).

Renke Korn wollte allerdings kein Modell für eine mögliche Lösung des Problems politischer Attentate geben.  Deshalb fehlte auch der Urteilsspruch zum Schluß der Verhandlung.  Vielmehr wollte er den Zuhörer (wie Rentorf durch seine Tat) zur Diskussion über die Möglichkeiten und akzeptablen Handlungen politischer Proteste anregen.  Denn, weil man gemeinhin nichts tut, sollte das ja nicht heißen, daß es sinnlos ist, etwas zu tun, wie Renke Korn seinen unheldenhaften Helden Rentorf formulieren läßt.

Die aktive Beteiligung des Publikums an dem aufgezeigten Problem bezweckte deshalb eine Diskussion im Anschluß an das Höspiel, an der sich neben den geladenen Studiogästen alle Hörer durch telefonischen Anruf beteiligen konnten.  Die Diskussion behandelte vor allem die Frage, ob ein politisches Motiv eine Rechtfertigung für einen gewaltsamen Akt sein kann, inwieweit ein Protest dieser Art sinnvoll ist.  Besonders wichtig war wohl die Bemerkung Dr. Langenbuchers von publizistischen Institut der Universität München, das Hörspiel zeige in sehr deutlicher Weise ein akutes Kommunikationsproblem auf, daß nämlich trotz Zeitungen und vielfacher Medien keine eigentliche Information und Diskussion zu erreichen sei, so daß manche Probleme in der Öffentlichkeit nur durch einen Außenseiterakt zu Wort zu kommen scheinen.  Und hier treffen sich wohl seine Ansichten mit den Zielen Renke Korns (die vielleicht auch eine Antwort auf Verurteilung oder Freispruch politischer Gewalttaten geben): es fehlen die freien und weiterführenden Diskussionen.  Und weil es sie bisher nicht gibt, so ist es bestimmt nicht sinnlos, damit anzufangen.” Vera Botterbusch

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Vgl. auch die Informationen zur Theaterversion dieses Stoffes

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